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Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien goes e-only: Umstellung des Zeitschriftenbezugs von p+e auf e-only ab 1. Januar 2013
The university library at the Medical University Vienna goes e-only. Change in the provision of literature from p+e to e-only on January 1st, 2013.
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Veröffentlicht: | 20. Dezember 2013 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Seit Jänner 2013 versorgt die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien ihre Nutzer mit aktueller Forschungsliteratur nur noch in Form elektronischer Journale, die gedruckten Zeitschriften wurden abbestellt. Nach dem ersten Jahr der neuen Ära zieht die Bibliothek ein positives Resümee. Der Artikel beschreibt diesen radikalen Umbruch in der Literaturversorgung der Universität. Vorausgehende Überlegungen und Analysen der Bibliothek zum Nutzerverhalten, zu räumlichen, finanziellen und personellen Ressourcen, sowie die Ziele der Umstellung auf e-only werden dargelegt. Die Phase des Überganges und damit verbundene organisatorische Aufgaben werden beschrieben und weitere Schritte zur zukünftigen Optimierung sind aufgelistet.
Abstract
Since January 2013 the university library of the Medical University Vienna provides its users with current research literature only in the form of electronic journals, printed journals were canceled. After the first year of the new era the library draws a positive conclusion. The article describes this radical change in the provision of literature at the university. Preliminary considerations and analyzes are given for library user behavior and for spatial, financial and human resources. Furthermore, the goals of the transition to e-only are described. The phase of transition and related organizational tasks are described and future steps for optimization are listed.
Zeitschriftenbezug im Umbruch
Mit dem Jahrtausendwechsel kam Schwung in den Bereich der elektronischen Zeitschriften an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, der größten medizinischen Fachbibliothek Österreichs [1]. Dem üblichen Bezug von gedruckten Zeitschriften wurde vermehrt der Zugang zu elektronischen Zeitschriften zur Seite gestellt, als kostenlose Draufgabe des Verlages zum bezogenen Printabonnement. Der daraufhin folgende Umbruch in der Zeitschriftenversorgung führte in der Bibliothek bis Ende 2012 zu einem komplexen Mix an verschiedensten Zeitschriftenformaten und Bezugsquellen. Neben den reinen Printabonnements (p-only) setzte sich der Bezug der kombinierten Abos durch, in Form der gedruckten und elektronischen Version (p+e). Vorauseilende Verlage aber stoppten ihre Druckerpressen gänzlich und bescherten der Bibliothek schon sehr bald das Format der rein elektronischen Zeitschrift (e-only). Auch die Zahl der Bezugsquellen stieg an. Zusätzlich zur Subskriptionsadministration durch mehrere altbewährte Agenturen erfolgte die Lizenzierung einzelner eJournals direkt bei den Verlagen, während ganze Titelpakete an elektronischen Zeitschriften über die 2005 geschaffene Konsortialstelle Kooperation E-Medien Österreich (KEMÖ) geordert wurden, eine Einkaufsgemeinschaft österreichischer Bibliotheken für elektronische Ressourcen. Mit der Abbestellung aller gedruckten Zeitschriften Ende 2012 sollte sich zwar die Anzahl der unterschiedlichen Formate verringern, nicht aber die Zahl der Bezugsquellen für elektronische Zeitschriften.
Trotz der überzeugenden Vorteile des elektronischen Formates für die Benutzer wurde der komplette Umstieg der Bibliothek auf e-only lange Zeit eher zögerlich in Angriff genommen. Die Gründe dafür waren vielfältig. Ein besonders wichtiges Hemmnis bildete der fiskalische Nachteil der elektronischen Zeitschriften. Für elektronische Medien sind in Österreich 20% Mehrwertsteuer zu bezahlen. Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand an Geldmitteln, verglichen mit der nur 10%igen Mehrwertsteuer auf gedruckte Zeitschriften. Weiters erfüllte die heutige Universitätsbibliothek von 1994 bis 2003 die Rolle einer Österreichischen Zentralbibliothek für Medizin, verbunden mit dem wichtigen Auftrag, den medizinischen Zeitschriftenbestand in Österreich auf Dauer zu archivieren. Gerade aber diese Aufgabe ließ sich auch weit über 2003 hinaus mit elektronischen Zeitschriften nicht erfüllen. Der Content blieb fest in der Hand der Verlage, die nur Zugriffsrechte in Form von Jahreslizenzen verkauften, die aber nach Ablauf oder Kündigung in der Bibliothek nichts zurück ließen außer Kosten und veralteteten Katalogeinträgen. Die Situation besserte sich etwas, nicht zuletzt auch auf Drängen der Bibliotheken, als sich Lizenzverträge etablierten, die permanenten Zugriff (perpetual access) auf die bezahlten Jahrgänge durch die Verlage zusicherten. Nur sehr langsam zeichneten sich auch verlagsunabhängige Lösungen zur dauerhaften Sicherung des Zuganges zu elektronischen Inhalten ab, die vom Standpunkt der Bibliothek aus vertrauenswürdig genug erschienen, um aus dem Bezugsmodell der gedruckten Zeitschriften auszusteigen.
Ungeachtet der zögerlichen Haltung auf Bibliotheksseite entwickelte sich die elektronische Zeitschrift vom Start weg zum Publikumsliebling und führenden Medium im Forschungsbereich Science – Technology – Medicine (STM). Die Preisgestaltung vieler Verlage zog natürlich rasch nach und oftmals wurden die elektronische und die gedruckte Version einer Zeitschrift zu etwa gleich hohen Kosten angeboten, mit Vergünstigungen beim kombinierten Bezug. Während also die Bibliothek über Jahre hindurch gedruckte Zeitschriftendubletten abgebaut hatte, lebte dieser teure Doppelbezug in anderer Form wieder auf, als p+e-Abo. Auf Seite der Benutzer erfolgte die Umstellung der Lesegewohnheit auf e-only nämlich schon lange vor 2012. Die gedruckte Dublette im Lesesaal der Bibliothek mutierte damit rasch zum Archivexemplar, während die elektronische Version zum favorisierten Benutzungsexemplar der betreffenden Zeitschrift aufstieg. Diese Änderung im Nutzungsverhalten entspricht auch den eigenen Erfahrungen im Lesesaal und wird belegt durch Nutzungsdaten des Elektronischen Zeitschriftenkataloges (EZB) (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die schnelle Zunahme der Nutzungszahlen in den ersten Jahren zeigt den rasanten Umstieg der Leser auf das wachsende Angebot an elektronischen Zeitschriften. Der Scheitelpunkt des Verlaufes deutet auf den bereits erwähnten, schon um 2007 fast vollständig vollzogenen Wechsel der Leser auf e-only hin. Die in den Folgejahren zu sehende Abnahme der Nutzungszahlen ist durch die 2008 erfolgte Einführung einer Linking-Software zu erklären, die den Literatursuchenden aus bibliographischen Datenbanken heraus direkt zum Volltextartikel führt, ohne Umweg über die EZB. Diese Entwicklung wird in der Zahl der Downloads von Volltextartikeln evident, die seit 2008 kontinuierlich angewachsen ist (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Die Studenten, Ärzte und Wissenschaftler der Medizinischen Universität Wien wechselten also mit fliegenden Fahnen in das elektronische Zeitschriftenlager. Die anfänglich auftretenden Probleme beim Lesen von eJournals wurden durch die rasche technologische Weiterentwicklung von Internet und Lesegeräten bald vermindert. Auf Seite der Bibliothekare mussten aber noch viele andere, sehr begründete Bedenken beachtet und gelöst werden, bevor eine über Jahrhunderte bewährte Tradition der Informationsversorgung und Archivierung aufgegeben werden konnte.
Mit Ende 2012 liefen mehrjährige, konsortial abgeschlossene Lizenzverträge der Bibliothek mit den größten Verlagen für medizinische Zeitschriften aus. Diese drängten bereits seit Jahren in Richtung e-only und boten nun, zum Teil noch letztmalige Preisnachlässe für die Umstellung an. Dieses Zeitfenster bot sich also zu einer radikalen Umstellung auf den alleinigen Bezug von elektronischen Zeitschriften an und traf auf eine gut vorbereitete Bibliothek mit einem zurechtgelegten Plan.
Ziele der Umstellung des Zeitschriftenbezugs auf e-only ab 2013
Auch nach 2004 stand die Universitätsbibliothek in ihrer Sammelpolitik in den ersten Jahren als Nachfolgeinstitution der Österreichischen Zentralbibliothek für Medizin in deren Tradition. Wichtige medizinische Journale sollten nach Möglichkeit zumindest einmal print und online in Österreich vorhanden sein. Mit der zunehmenden Nutzung der elektronischen Zeitschriften wurde das bisherige Konzept der Mitversorgung anderer Universitäten auf Basis der gedruckten Zeitschriften zusehends außer Kraft gesetzt. Wesentlich für die Mitversorgung waren nun nicht mehr die physischen Exemplare, sondern dass eine Zeitschrift innerhalb eines Konsortiums von einem Partner lizenziert wurde und somit in Form des sogenannten cross-access auch den anderen beteiligten Institutionen online zur Verfügung stand.
Vor diesem Hintergrund reduzierte sich die Bedeutung des gedruckten Exemplars auf die Funktion eines Archivexemplars und einer Basis für Fernleihe- und Literaturlieferdienst. Mitte der 2000er Jahre war für die Bibliotheksleitung der Medizinischen Universität Wien evident, dass in den nächsten Jahren ein Umstieg auf e-only erfolgen müsste. Nachdem der von der Universitätsbibliothek angestrebte gemeinsame Umstieg aller Partner der Kooperation E-Medien Österreich (KEMÖ) [2], der für alle finanzielle Vorteile und auch eine gemeinsame Archivstrategie ermöglicht hätte, für die Vertragsperiode 2010–2012 nicht realisiert werden konnte, wurde mit Blickrichtung 2013 ein eigenes Umstiegs-Szenario für die Medizinische Universität Wien erarbeitet. Eine wesentliche Prämisse für die Bibliotheksleitung war, dass der Umstieg auf e-only nicht zufällig oder von den Verlagen gelenkt, sondern als strategische Entscheidung von der Universitätsleitung getragen wird.
Positionspapier e-only
Als Entscheidungsgrundlage wurde für das Rektorat ein „Positionspapier der UB der MedUni Wien: Umstellung von Print auf e-only der Fachzeitschriften ab Jänner 2013“ erstellt, das die wesentlichen Gründe für den Umstieg, die zu erwartenden Vorteile sowie die zu setzenden Rahmenbedingungen umfasste.
Ende 2012 erfolgte die Zustimmung des Rektorates der Medizinischen Universität Wien zum Positionspapier und die Beauftragung der Universitätsbibliothek, entsprechend dem vorgelegten Szenario vorzugehen.
Folgende Punkte wurden als Ziele festgelegt:
- Eindeutige strategische und operative Ausrichtung der Bibliothek auf Online-Versionen (die Bibliothek folgt dem Nutzerverhalten der letzten Jahre);
- Reduktion der Kosten durch den Wegfall der Print-Abos;
- Finanzierung der höheren Mehrwertsteuer (20% für Online-Medien anstelle der für Print-Medien vorgesehene 10%) durch Einsparungen der Print-Abos;
- Arbeitsentlastung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zeitschriftenabteilung durch Wegfall der Zweigleisigkeit p+e und Optimierung des Zeitschriften-Workflows;
- kein Zuwachs mehr ab 2013 und somit Entlastung der gravierenden Stellplatzproblematik;
- Lösung der Archivierungsfrage für Online-Journale;
- kostenneutrale Umstellung auf e-only als generelles Ziel.
Wesentliches Kriterium für die Entscheidung der Umstellung auf e-only zum Jahreswechsel 2012/13 war die sich immer gravierender bemerkbare Ressourcenknappheit im Bereich der finanziellen Mittel sowie bei Raum und Personal.
Finanzielle Ressourcen
Durch den Wegfall von Kosten für gedruckte Abonnements sollte ein kostenneutraler Umstieg von p+e auf e-only für die Jahre 2013 bis 2015 ermöglicht werden. Für den Umstieg lautete die finanzielle Vorgabe, dass für die Jahre 2013, 2014 und 2015 im Durchschnitt nicht mehr ausgegeben werden soll als im Ausgangsjahr 2012. Durch die Einsparungen der gedruckten Zeitschriften sollten die Preissteigerungen der kommenden Jahre sowie der Mehraufwand durch die höhere Mehrwertsteuer auf elektronischen Versionen finanziert werden.
Die bisherigen Ausgaben für Buchbinderarbeiten (als Infrastrukturkosten für gedruckte Zeitschriften) sollten für die Beteiligung an einer Lösung zur Langzeitarchivierung (als Infrastrukturkosten für elektronische Zeitschriften) umgeschichtet werden.
Raum-Ressourcen
Durch Rückgabe von gedruckten Beständen aus den Instituten und Universitätskliniken (Zeitschriften und Monografien) wurden in den letzten Jahren die Stellplatzreserven der Universitätsbibliothek komplett verbraucht. Ergänzend musste eine externe Lagermöglichkeit geschaffen werden, die sich außerhalb Wiens befindet und nur der Lagerung dient, aber keine Benutzungsmöglichkeit bietet.
Durch die Umstellung auf e-only sollte der Platzbedarf für den Zuwachs von Zeitschriftenbänden mit Jänner 2013 auf eine satte Null reduziert werden.
Personal-Ressourcen
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Teams Zeitschriftenbearbeitung sollten von ihren Agenden für Zeitschriftenabonnements vollständig entlastet werden. Ihr Aufgabenbereich sollte in Zukunft ausschließlich die Bearbeitung von elektronischen Zeitschriften umfassen.
Durch den Wegfall von bisher zu leistenden Arbeiten für gedruckte Zeitschriften sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch für neue Bibliotheksaufgaben (Stichwort: Repositorium) freigespielt werden. Das ist, im Hinblick auf den für den Verwaltungsbereich der Medizinischen Universität Wien verfügten Aufnahmestopp, von entscheidender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Universitätsbibliothek.
Ein wesentliches, zukunftsweisendes Ziel sollte durch die radikale Einstellung der bisherigen Bearbeitungsprozesse für gedruckte Zeitschriften erreicht werden: Die Universitätsbibliothek sollte ihren Auftrag, eine optimale Versorgung der Medizinischen Universität mit medizinischer Zeitschriftenliteratur sicher zu stellen, ausschließlich auf Basis der elektronischen Zeitschriften einlösen, wie es auch als Entwicklungsziel im aktuellen Entwicklungsplan der Medizinischen Universität Wien festgeschrieben ist: „Sukzessive Erweiterung des elektronischen Literatur- und Informationsangebotes, inbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Fachzeitschriften, bei denen eine Umstellung auf e-only angestrebt wird, sofern ein dauerhafter Zugriff auf das lizenzierte Material gewährleistet ist (Archivrechte)“ [3].
Um die Einsparungspotentiale bei den finanziellen Mitteln, bei Raum- und Personalressourcen auch vollständig ausschöpfen zu können, wurde die ursprüngliche Überlegung, die wichtigsten 100 oder 200 Journale auch weiterhin als gedrucktes Backup zu halten, sehr rasch verworfen.
Im Zuge der Planungen für die digitale Zukunft musste nämlich auch folgende Frage beantwortet werden: Könnten gedruckte Journale den Ausfall von Online-Versionen ersetzen? Bei täglich an der Medizinischen Universität Wien heruntergeladenen ca. 3.000 Fachartikeln (ca. 1,1 Mio Fachartikeln pro Jahr) würde dies bei einer möglichen Tagesarbeitszeit von max. 10 Stunden pro Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter bedeuteten, dass für den hypothetischen Fall eines vollständigen Ausfalls des Online-Zugangs zu den elektronischen Zeitschriften pro Stunde 300 Artikelkopien zu erstellen sind. Bei einem möglichen Volumen von 12 kopierten Artikeln pro Person müssten für eine vollständige Substitution der elektronischen Zeitschriftenaufsätze durch Artikelkopien aus gedruckten Zeitschriften kurzfristig 25 Personen und 25 Kopiergeräte bzw. Scanner mit Ausdruckmöglichkeit bereitstehen. Durch dieses Rechenbeispiel wurde sehr bald deutlich, dass ein Archiv gedruckter Zeitschriften für eine Institution ab einer bestimmten Größe nicht mehr das Backup für Online-Zeitschriften sein kann. Demnach wurde für die Archivierungsfrage für elektronische Medien, neben Zeitschriften sollten auch elektronische Bücher und Datenbanken Berücksichtigung finden, eine praktikable und finanzierbare Lösung im internationalen Kontext eines etablierten Langzeitarchivierungskonzeptes gesucht. Dieses muss die Verfügbarkeit der technischen Infrastruktur und der Inhalte der elektronischen Zeitschriften sowie sonstiger elektronischer Medien gewährleisten, sollte der Verlagsserver ausfallen.
Workflow für e-only
Die Bibliothek stellt den Bezug der Zeitschriften mit 2013 auf e-only um. So lautete die Vorgabe für die Zeitschriftenabteilung ab Mitte 2012.
Eine letzte Herausforderung bildeten die budgetären Rahmenbedingungen an der Medizinischen Universität Wien, die den Zeitschriftenetat in zwei Kategorien teilen. Zeitschriften mit dauerhaften Archivrechten werden buchhalterisch als Anlagevermögen betrachtet, eJournals ohne dauerhafte Archivrechte hingegen als Sachaufwand. Für den Umstieg von p+e auf e-only mussten Informationen über die Archivrechte sämtlicher zu beziehenden Zeitschriften eingeholt werden. Nur so konnte die voraussichtliche Verschiebung von finanziellen Mitteln aus dem Anlagen- zum Sachaufwandsbudget für 2013 ermittelt und dem Rektorat gemeldet werden.
Diese Analysearbeiten wie auch die Konsortialverhandlungen für die neuen Dreijahresverträge mit den wichtigsten Zeitschriftenverlagen dauerten bis Ende November 2012.
Sehr aufwändig waren auch die administrativen Maßnahmen für die Zeitschriftenverwaltung. Nachdem die Entscheidung für die Umstellung auf e-only gefallen war, mussten für sämtliche eJournals eigene Katalogisate im Bibliotheksystem Aleph 500 erstellt werden, weil bis Ende 2012 Bestellungen und Rechnungen für p+e-Zeitschriften ausschließlich beim Katalogisat der gedruckten Zeitschrift verzeichnet worden waren.
Parallel dazu mussten auch die gedruckten Zeitschriftenabonnements in den Nachweissystemen der Bibliothek abgeschlossen, die fehlenden Hefte aus 2012 noch reklamiert und die Buchbindearbeiten für die noch zu bindenden Zeitschriftenhefte organisiert werden.
Ergänzend zu all diesen Maßnahmen wurden sämtliche Arbeitsabläufe einer Revision unterzogen und in die Prozesslandkarte neu eingepflegt. Dieser Arbeit war insofern große Bedeutung zuzumessen, weil wegen des 2012 an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eingerichteten Qualitätsmanagementsystems gemäß ISO EN 9001:2008 im Jahr 2013 eine neuerliche Zertifizierung und ein Überwachungsaudit erfolgen würde [4].
Langzeitarchivierung von e-Medien
Ein wesentlicher Grund für das Festhalten an einem Printexemplars und somit am p+e-Bezug, war die ungelöste Archivierungsfrage für elektronische Zeitschriften. Für den geplanten Umstieg auf e-only musste eine akzeptable Lösung für den Fall, dass einzelne Verlagsserver längerfristig ausfallen, gefunden werden.
Folgende im Jahr 2012 bereits an vielen Bibliotheken etablierte Lösungen wurden geprüft: LOCKSS, CLOCKSS und Portico. Ausführliche Informationen zum Thema Langzeitarchivierung von digitalen Inhalten bieten u.a. eine deutsche [5] sowie eine britische Studie [6].
Für die drei Lösungswege erfolgte eine eingehende Prüfung. Bei Portico entrichtet man eine jährliche Gebühr, die Archivierung wird von Portico vorgenommen und man benötigt keine eigene IT-Infrastruktur. Bei LOCKSS/CLOCKSS, einer Open-Source-Software, wären genau diese Infrastruktur und das hierfür aufzubauende Know-How notwendig gewesen.
Neben der Frage nach der (eigenen) Infrastruktur ist jene nach der Abdeckung der zu archivierenden Ressourcen von entscheidender Bedeutung. Portico bot eindeutig die höchste Abdeckung der von der Medizinischen Universität Wien lizenzierten elektronischen Ressourcen, sodass sich die Universitätsbibliothek, gemeinsam mit weiteren österreichischen Bibliotheken für eine Teilnahme am Schweizer Portico-Konsortium entschied. Auf Verlagsebene erreichte Portico eine Abdeckung von 95% des elektronischen Bestands, während CLOCKSS mit 85% und LOCKSS mit lediglich 29% deutlich dahinter blieben. Auch eine Kombination aus mehreren Archivierungsstrategien wurde evaluiert, jedoch konnte kein signifikanter Mehrwert festgestellt werden:
- Portico + CLOCKSS 95%
- Portico + LOCKSS 98%
- CLOCKSS + LOCKSS 87%
- Portico + CLOCKSS + LOCKSS 98%
Bei dieser Analyse handelt es sich nur um eine Momentaufnahme, denn der Bereich der digitalen Langzeitarchivierung ist wie der gesamte Bereich der digitalen Medien stetig im Wandel. Möglicherweise wird man in einigen Jahren eine 100%ige Abdeckung erreichen. Wichtige Zeitschriften, die durch Portico nicht abgedeckt werden, sind vor allem die Titel von HighWire Press. Aufgrund des Naheverhältnisses zu LOCKSS/CLOCKSS (beides bei der Stanford University angesiedelt) scheint es derzeit eher unwahrscheinlich, dass diese Titel bald auch bei Portico zu finden sein werden.
Diese Analyse bezog sich ausschließlich auf die Zeitschriften-Holdings. Darüber hinaus bietet Portico gegenüber den anderen Anbietern auch die Möglichkeit, e-Books zu archivieren.
Resümee und Ausblick
Im Dezember 2013 kann über das erste Jahr der Umstellung auf e-only bezüglich der Erreichung der angestrebten Ziele ein positives Zwischenresümee gezogen werden.
Die Beendigung des bis dahin präferierten Bezugsmodells von gedruckten und elektronischen Versionen eines Titels und die vollständige Umstellung auf e-only mit dem Stichtag 1. Januar 2013 war die richtige Entscheidung für Benutzerinnen und Benutzer, für Rektorat und Universitätsbibliothek.
2012/13 bot sich die einmalige Gelegenheit, durch Einsparungen der gedruckten Zeitschriften den Umstieg auf die elektronischen Versionen zu finanzieren und damit die Literaturversorgung für die Benutzerinnen und Benutzer auf dem etablierten hohen Niveau zu halten. Ein Bezug der gedruckten und elektronischen Zeitschriften auch 2013 hätte aufgrund der Preissteigerungen sowie des gleichbleibenden Bibliotheksbudgets zu massiven Abbestellungen geführt.
Darüber hinaus machte es die Umstellung auf e-only möglich, die erwünschten Einsparungen bei den Bibliotheks-Ressourcen zu erzielen und somit den benötigten Spielraum für mittelfristige zukunftsweisende Projekte der Bibliothek zu gewinnen.
Ressourcen
Die angestrebten Einsparungen bei finanziellen Ressourcen sowie Raum- und Personal-Ressourcen (bzw. deren teilweise Umschichtung) konnten erreicht werden, bzw. die Erreichung dieser Ziele ist absehbar.
Mit den für gedruckte Zeitschriften eingesparten Mitteln konnte die höhere Mehrwertsteuer abgedeckt werden. Die Einsparungen bei den Buchbinderausgaben werden aber erst 2014 voll wirksam, weil 2013 noch zahlreiche Abonnements aus 2012 abgeschlossen werden mussten.
Die angestrebten Einsparungen beim zusätzlichen Platzbedarf konnten ab dem 2. Quartal 2013 erzielt werden, nach den letzten Lieferungen von Heften aus 2012.
Die Einsparungen bei Personal-Ressourcen durch die Umstellung auf e-only werden erst 2014 voll wirksam, weil 2013 noch zusätzliche Arbeiten für den gedruckten Zeitschriftenbestand zu leisten waren, wie etwa Abschluss der Print-Bestände in den Katalogen oder Abbau der Zeitschriftenauslagefächer in der Regalzone. Das Team Zeitschriftenbearbeitung wird in Zukunft zusätzlich zur Administration der elektronischen Zeitschriften neue Aufgaben übernehmen, etwa die Optimierung des gesamten Zeitschriftenbestands durch laufendes Monitoring des Zeitschriftenbereichs sowie die Schaffung nachhaltiger Nutzungsmöglichkeiten des vorhandenen Bestands durch Engagement der Universitätsbibliothek in zukünftige Konzepte der Langzeitarchivierung im nationalen Kontext.
Zeitschriften-Workflow
Die angestrebten Änderungen im Workflow der Zeitschriftenbearbeitung wurden 2013 begonnen. Sämtliche nunmehr ausschließlich elektronische Zeitschriften wurden im Bibliothekssystem eigenständig erfasst, soweit die Archivrechte für die betreffenden Titel erworben wurden. Die Verrechnung sowie der Nachweis der lizenzierten Bestände erfolgt im Bibliothekssystem. Ergänzend dazu wurden die entsprechenden Einträge im Zeitschriftenportal EZB sowie im Verlinkungstool SFX durchgeführt.
Für 2014 ist geplant, sämtliche Zeitschriftenbearbeitungsprozesse neuerlich einem Review zu unterziehen, mit der Zielsetzung, die eindeutige strategische und operative Ausrichtung der Bibliothek auf die elektronischen Zeitschriftenversionen abzubilden. In der Prozesslandkarte der Universitätsbibliothek sollen dann ausschließlich Prozesse zu finden sein, die der Bearbeitung der elektronischen Zeitschriften dienen. Sämtliche Prozesse zur Bearbeitung von gedruckten Zeitschriften sollen entfernt werden.
Langzeitarchivierung
Für die Langzeitarchivierung konnte im Rahmen der Kooperation E-Medien Österreich eine gemeinsame Lösung mit dem Schweizer Konsortium erreicht werden. Ab 2014 wird die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Lizenz für Portico erwerben.
Neue Zukunftsthemen
Das Ende der bisherigen Doppelgleisigkeit in Form der Erwerbung von gedruckten und elektronischen Zeitschriften und die Fokussierung auf e-only seit Jänner 2013 haben die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien fit dafür gemacht, sich neuen Aufgaben zu stellen [7]. In unmittelbarer Zukunft gilt es vier Fragen zu lösen:
- 1.
- Wie geht es weiter mit dem vorhandenen Archiv an gedruckten Zeitschriften?
Im Rahmen des Forums Universitätsbibliotheken Österreich wurde ein landesweites Projekt der verteilten Archivierung mit der Zielsetzung entwickelt, von jedem Zeitschriftentitel zumindest ein gedrucktes Exemplar dauerhaft aufzubewahren. Sammelschwerpunkt der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien in diesem Kontext wird der Bereich der klinischen Zeitschriften sein, wo es Dank der Vergangenheit als Österreichische Zentralbibliothek für Medizin einen umfangreichen und landesweit singulären Bestand gibt. - 2.
- Wie kann die Verwaltung der elektronischen Zeitschriften optimiert werden?
Derzeit werden die elektronischen Zeitschriften wie früher auch die gedruckten Versionen im Bibliotheksverwaltungssytem Aleph 500 administriert, das allerdings in erster Linie für gedruckte Medien entwickelt worden ist. Vor diesem Hintergrund hat das Rektorat der Medizinischen Universität Wien im Oktober 2013 zugestimmt, sich am Vergabeverfahren für ein neues Bibliothekesverbundsystem im Rahmen des Österreichischen Bibliothekenverbundes zu beteiligen. Wesentliche Kriterien für die Auswahl eines neuen Systems werden entsprechende Funktionalitäten für ein Electronic Ressource Management (ERM) System sein, mit denen eine optimierte Verwaltung der elektronischen Medien, insbesondere auch der elektronischen Zeitschriften ermöglicht wird. - 3.
- Wie kann der Bestand an elektronischen Zeitschriften trotz limitierter budgetärer Mittel optimiert werden?
Die Zeitschriftenkrise – stark steigende Zeitschriftenpreise bei gleichbleibenden oder sinkenden Literaturbudgets – hat die wissenschaftlichen Bibliotheken in den letzten Jahrzehnten regelmäßig zu z.T. drastischen Abbestellmaßnahmen gedrängt. Elektronische Zeitschriften weisen gegenüber gedruckten Zeitschriften den wichtigen Aspekt auf, dass sie eher nutzungsorientierte und nicht so sehr bestandsorientierte Entscheidungen ermöglichen. Durch Entwicklung geeigneter Monitoringverfahren soll der Zeitschriftenbestand in Zukunft laufend den jeweils aktuellen Anforderungen entsprechend angepasst werden, ergänzt um geeignete Verfahren der Dokumentenlieferung. In zukünftige Konzepte sollen auch die Entwicklungen auf dem Gebiet Open Access Publishing mit einfließen. - 4.
- Welche neuen wichtigen Arbeitsfelder sind von Bibliotheken in Zukunft abzudecken?
Neben dem Zeitschriftenbereich sollen in Zukunft auch andere Aufgaben, die insbesondere mangels Personalressourcen bisher als Desiderate wahrgenommen wurden, von der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien übernommen werden. Neben verstärkten Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung des wertvollen medizinhistorischen Erbes der Medizinischen Universität Wien, das an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin untergebracht ist, und der Teaching Library, soll in den nächsten Jahren vor allem ein institutionelles Repositorium aufgebaut werden, das als Hochschulschriftenserver und Archiv für digitalisierte urheberrechtsfreie Bücher fungieren wird.
Es bleibt die Frage, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Umstieg auf e-only aufgenommen haben. Im zweiten Halbjahr 2012 wurde in Vorgesprächen mit Klinik- und Institutsleiterinnen und -leitern der Medizinischen Universität Wien die geplante Neuausrichtung auf dem Zeitschriftensektor angesprochen. Symptomatisch für deren Einstellung war folgender Dialog:
Bibliotheksleiter: „Wir werden mit Jahresende 2012 auf e-only umstellen und sämtliche gedruckten Zeitschriftenabonnements einstellen.“
Institutsleiter: „Schade.“
Bibliotheksleiter: „Wann waren Sie das letzte Mal in der Universitätsbibliothek und haben ein gedrucktes Journal genutzt?“
Spätestens an diesem Punkt des Gesprächs wurde evident, dass sich das Konzept der gedruckten Zeitschrift in den letzten Jahren überholt hat.
Bestätigt wurde diese Einschätzung auch durch Erfahrungen der letzten Monate. Die Umstellung auf e-only führte zu keiner einzigen Beschwerde von Angehörigen der primären Nutzergruppe der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.
Anmerkung
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
- 1.
- Bauer B, Cepicka K, Dollfuß H, Erasimus E, Hartl M, Lotter R. Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien – größte Medizinbibliothek Österreichs: Hybridbibliothek als Zukunftskonzept. GMS Med Bibl Inf. 2009;9(2-3):Doc55. Available from: http://www.egms.de/pdf/journals/mbi/2009-9/mbi000183.pdf
- 2.
- Bauer B. Austrian university libraries on their way toward e-only for scholarly journals. By Bruno Bauer, Head of the University Library of the Medical University of Vienna/Chairman of the Austrian Library Directors Working Group, Vienna, Austria. Elsevier Library Connect Newsletter. 2011;9(1):3. Available from: http://libraryconnectarchive.elsevier.com/lcn/0901/lcn090103.html
- 3.
- Medizinische Universität Wien. Entwicklungsplan der Medizinischen Universität Wien. Mitteilungsblatt der Medizinische Universität Wien. 2012;16(19). Available from: http://www.meduniwien.ac.at/homepage/fileadmin/HP-Relaunch/pdforganisation/rechtsabteilung/Mitteilungsblaetter_2011-12/16_MB_03_07_2012_Entwicklungsplan_Aussendung_.pdf
- 4.
- Bauer B, Cepicka K, Stowasser-Bloch K. Qualitätsmanagement und Zertifizierung der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien gemäß ISO 9001:2008. Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare. 2013;66(1):11-31. Available from: http://eprints.rclis.org/19562/1/vm_66_2013_1_Bauer_Cepicka_Stowasser-Bloch.pdf
- 5.
- Charles Beagrie Ltd; Globale Informationstechnik GmbH. Dauerhaften Zugriff sicherstellen: Auf dem Weg zu einer nationalen Strategie zu Perpetual Access und Hosting elektronischer Ressourcen in Deutschland. Deutsche Übersetzung des editierten Abschlussberichtes, öffentliche Version. Februar 2010. Available from: http://www.allianzinitiative.de/fileadmin/hosting_studie_d.pdf
- 6.
- Beagrie N. Preservation, Trust and Continuing Access for e-Journals. DPC Technology Watch Report 13-04. Digital Preservation Coalition, Charles Beagrie Ltd; September 2013. (DPC Technology Watch Series.) DOI: 10.7207/twr13-04
- 7.
- Bauer B. Medizinbibliotheken als Treiber von Innovationen für die Digitale Bibliothek: Metamorphose von wissenschaftlichen Bibliotheken am Beispiel der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. GMS Med Bibl Inf. 2013;13(1-2):Doc14. DOI: 10.3205/mbi000278